Schlagwort: Kinderbuch

Erich Kästner „Als ich ein kleiner Junge war“

Erich Kästner gehört auch heute noch zu den meistgelesenen deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautoren und seine Werke werden weiterhin aktuell im Atrium Verlag aufgelegt, so auch der autobiographische Roman „Als ich ein kleiner Junge war„.

Wer sich mit dem Leben und Werk von Erich Kästner auseinander setzen will, kommt um dieses 1958 erstmals veröffentliche Buch nicht drum herum und zahlreiche Biografien zitieren aus dieser autobiographischen Schrift oder orientieren sich an diesem Buch bezüglich der Kindheitsjahre des Autors.

Kästner schildert in seinem amüsanten und leicht ironischen Plauderton seine Kindheitserlebnisse von 1899 bis 1914, die Geschichte seiner Vorfahren und ganz besonders die Geschichte und Atmosphäre seiner Geburtsstadt Dresden, die im Zweiten Weltkrieg dem Erdboden gleichgemacht wurde.

Erich Kästner ist allemal für eine Weiterempfehlung gut, bedingungslos wenn wir es uns untereinander als Fünfzigjährige oder Ältere weiterempfehlen, die wir hier in Erinnerungen schwelgen können. Ob Erich Kästner heute wirklich von Kindern mit Freude gelesen wird oder gelesen werden kann, daran habe ich meine Zweifel. Es sind nicht die Geschichten an sich, denn die können die heutigen Kinder ebenso begeistern, wie vor 75 oder 100 Jahren. Nein, es ist die Sprache, insbesondere die Wortwahl, die vielen Kindern und Jugendlichen heute fremd erscheinen wird, denn Kästner schreibt in einer Sprache, deren Bedeutung sich heute jungen Menschen nicht mehr so einfach erschließt. Worte wie Litfaßsäule, Schutzmann, Konsumverein, Teppichstange, Droschke, Semmeln, Hosenboden, um nur wenige Beispiele zu nennen, sind aus dem Sprachschatz von Kindern längst verschwunden. Außerdem schreibt Kästner über einen Alltag, den es so heute überhaupt nicht mehr gibt und der für die jungen Leser sehr befremdlich erscheinen mag.

Trotzdem: mit Anleitung und Unterstützung sind Kästners Bücher und Geschichten auch heute noch Gold wert – im wahrsten Sinne des Wortes.

Die drei ??? und Thomas Mann

Zum Thomas Mann Jubiläumsjahr – am 6. Juni 2025 jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal – erschien im Kosmos-Verlag im Februar 2025 von Marco Sonnleitner „Die drei ???. Das Geheimnis der sieben Palmen„.

Kurz zum Inhalt

Die drei jungen Detektive – wer sie in seiner Jugend gelesen hat, der sei vorgewarnt, denn sie sind zwar noch jugendlich, haben aber mittlerweile eine „echte“ Detektei und alle drei fahren nun Auto – stehen vor einem Rätsel, denn an unterschiedlichen Orten wurde nahezu zeitgleich eingebrochen, alte Briefe wurden gestohlen, Bibliotheken wurden verwüstet, doch die Werke von Thomas Mann wurden verschont und säuberlich aufgereiht. Die Opfer sind allesamt Nachfahren von Walter Lehmann, einem ehemaligen Sekretär Thomas Mann in den vierziger Jahren. Die Spur führt zur Villa Seven Palms, in der Thomas Mann tatsächlich in den vierziger Jahren lebte, und hier werden die drei Detektive Justus, Peter und Bob das Geheimnis lösen können.

Der Jugendroman verwebt hier tatsächliche Ereignisse und literaturhistorische Hintergründe mit erzählerischen Möglichkeiten und ist – besonders für junge Leser – durchaus packend und spannend geschrieben.

Fazit

Selbst Volker Weidermann ist begeistert und hat einen lobenden Artikel in der Zeit, No. 15 am 10. April 2025, verfasst – das mag was heißen. Auch wenn ich eine allzu große Begeisterung nicht teilen kann, so ist es dennoch ein unterhaltsames Abenteuer, das jugendliche Drei ??? Leser ohnehin verschlingen werden und damit vielleicht auch Neugier wecken kann. Mag sein, dass diese Detektivgeschichte auch Brücken zur deutschen Literatur und der Thomas-Mann-Welt bauen hilft, aber in erster Linie ist es eine originelle und ebenso eine schöne Idee für Lesenostalgiker und Thomas-Mann-Fans.

Marco Sonnleitner, „Die drei ???. Das Geheimnis der sieben Palmen
Stuttgart 2025, Kosmos Verlag
159 Seiten, 12,00 EUR

Saša Stanišic, Wolf

Der 2023 im Carlsen Verlag erschienene Roman „Wolf“ von Saša Stanišic ist das erste Kinder- oder Jugendbuch des Autors, der insbesondere mit seinen Romanen „Herkunft“ und „Vor dem Fest“ große Erfolge feierte und einer größeren Leserschaft bekannt wurde.

Das Buch ist schön gestaltet, von Saša Stanišic beinahe durchgängig hervorragend erzählt und mit zahlreichen ausdrucksstarken, situativ passenden Bildern von Regina Kehn illustriert. Das Buch wurde mit zahlreichen Preisen, wie zum Beispiel dem Jugendliteraturpreis 2024 als bestes Kinderbuch, ausgezeichnet. Und dennoch läßt mich das Buch ratlos zurück, da es ein überhastetes Ende findet, was die ganze gute Vorarbeit in diesem zu Beginn grandiosen Roman leider zunichte macht.

Wie immer nur kurz zum Inhalt

Der jugendliche Kemi wird gegen seinen Willen von seiner Mutter in ein Sommerferienlager geschickt, wo er auf Jörg trifft, der irgendwie „andersiger“ als alle anderen ist und dadurch zum Mobbingopfer insbesondere von Marko, einem weiteren Ferienlagerteilnehmer, und dessen Spießgesellen wird. Das Mobbing ist für alle sichtbar und doch bleiben alle nur passive Zuschauer, Kinder und Erwachsene greifen überhaupt nicht oder nur sehr zögernd und halbherzig ein. Und genau das macht den Roman grandios, nämlich dass er in einer kindernahen Sprache schildert, wieviel Mut es braucht, Mobbingopfern beizustehen.
Der neumal kluge, frühreife Kemi liefert sich witzige Dialoge mit den Betreuen, um sich vor den Gemeinschaftsaktivitäten zu drücken, da „er die Natur an sich ablehnt“, der lebenserfahrene Außenseiter Jörg wird liebevoll dargestellt und der erwachsene Leser weiß gar nicht so recht, warum ausgerechnet Jörg und nicht Kemi zum Mobbingopfer wird und alle Ferienbetreuer sind ganz eigene Charaktere – dies alles schildert Saša Stanišic fesselnd bis zum letzten Ferientag.

Das bittere Ende

Auf den letzten zwölf Seiten kommt die Försterin ins Ferienlager und hält eine flammende Rede für den Klimaschutz. Gegen dieses Thema ist überhaupt nichts einzuwenden und diese Passage ist überaus witzig geschrieben, jedoch entsteht hier auch der Eindruck, dass der Autor auch dieses Thema noch in seinen Roman über Mobbing noch mit einbauen wollte – climate change sells. Auch das Lehrermaterial zu diesem Roman greift dies gerne auf und nennt eines der zentralen Themen dieses Buch „Natur und Naturschutz“, was bei aller Liebe einfach Quatsch ist.
Es kommt aber noch schlimmer. Am Ende des Romans und am Ende des Ferienlagers bleibt alles so wie es war. Es gibt für niemanden Konsequenzen, es gibt keine wesentliche Änderungen, es gibt keine Hoffnung auf Besserung, es gibt kaum Einsichten und wir ahnen oder wissen: die Zuschauer bleiben weiterhin Zuschauer und die Mobbingopfer werden weiter leiden.
Es ist an sich gelungen, dass uns der Autor nicht mit einem süßholzraspelnden Happy-End belästigt, dennoch bin ich der Meinung, dass ein Kinderbuch im Schluss eine andere Botschaft übermitteln sollte.

Fazit

Trotz des Endes, mit dem ich ganz und gar nicht zufrieden bin, wünsche ich dem Buch viele Leser, da es das Thema Mobbing sowie den Mut sich dem entgegen zu stellen sehr eindrücklich darstellt. Neben diesem ernsthaften Thema ist es aber auch ein sehr unterhaltsames Buch mit zahlreichen lustigen Dialogen der beiden Außenseiter Kemi und Jörg.

© 2025

Theme von Anders NorénHoch ↑