Wenn überhaupt, dann ist Milena Jesenská als Adressatin von Franz Kafkas Briefen an Milena bekannt, doch mit der 2016 bei Geltz & Gelberg erstmals erschienenen und 2018 erneut bei Insel aufgelegten Biographie „Sie ist ein lebendiges Feuer. Das Leben der Milena Jesenská“ ist Alois Prinz der große Verdienst anzurechnen, dass er mit seinem Buch Milena Jesenská aus dem Schatten von Franz Kafka holt, ihr außergewöhnliches Leben bewegend schildert und sie erneut in das öffentliche Gedächtnis trägt.

Kurz zum Inhalt

Alois Prinz erzählt das Leben der Milena Jesenská dicht und atmosphärisch: wir erleben ein elfjähriges Mädchen, das die todkranke Mutter pflegt, die junge Frau, die gegen ihren Vater und die Gesellschaft aufbegehrt und wegen „ihres unschicklichen Benehmens“ von ihrem Vater in die Psychiatrie eingewiesen wird, ihre Flucht in die Ehe mit Ernst Polak und nach Wien, ihre Diebstähle, ihren Drogenkonsum, ihre Gefängnisaufenthalte, ihre Beziehungen zu verschiedenen Männern, ihre Liebe zu Franz Kafka, ihr Verkehr unter Prager und Wiener Intellektuellen, ihre Mühen als alleinerziehende Mutter, ihre Beobachtungsgabe in ihren Reportagen, ihr Engagement für den Sozialismus, ihr Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Prag, ihre Verhaftung durch die Gestapo und schließlich ihre Haft und ihren Tod im Konzentrationslager Ravensbrück. Prinz vermittelt eindrücklich auf etwa 200 Seiten das hingebungsvolle und verschwenderische Leben einer Frau voller Lebenshunger, die sich stets ins Leben fallen ließ: immer handelnd, gebend und liebend, wie es der Autor am Ende des Buches zusammenfasst.

Milena Jesenská wurde am 10. August 1896 in Prag geboren und starb am 17. Mai 1944 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück an den Folgen einer Nierenoperation. 1995 wurde ihr Name in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in eine Tafel eingraviert und sie wurde als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Damit erfuhr sie posthum die Ehrung dafür, dass seit 1939 ihre Prager Wohnung „zum Unterschlupf für tschechische Soldaten, für Juden und politisch Verfolgte“ (Prinz, S. 171) wurde und sie und Graf von Zedtwitz zahlreichen vom Nationalsozialismus Verfolgten zur Flucht verhalfen.

Milena Jesenská war trotz der starren Rollenverteilung ihrer Lebenszeit eine freie, emanzipierte Frau, eine engagierte Sozialistin und eine mutige Widerstandskämpferin. In ihrem ganzen Leben kämpfte sie gegen innere und äußere Dämonen, gegen ihre Sucht und die Ungerechtigkeit in der Welt und ist noch heute ein beispielloses Vorbild für eine starke Frau- eine Frau, die uns Mut machen kann. All dies erzählt uns Alois Prinz in seiner Biografie, die auch eine Zeittafel und ein ausführliches Literaturverzeichnis enthält, sehr eindrücklich.

Der Autor

Ein paar Worte zu Alois Prinz: der deutsche Schriftsteller, Jahrgang 1958, schreibt vorwiegend Biographien für junge Erwachsene und wurde 2023 für sein Gesamtwerk mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Er schrieb unter anderem, neben der hier vorgestellten Lebensgeschichte von Milena Jesenská, auch Biografien über Franz Kafka, Martin Luther, Herrmann Hesse, Hanna Arendt, Simone de Beauvoir und viele andere Persönlichkeiten.