Zwei Werke von Arthur Schnitzler sind frisch im Wallstein-Verlag erschienen: die Novelle „Fräulein Else“ von 1924 und „Doktor Gräsler, Badearzt“ von 1917 und ich kann nur hoffen, dass der Wallstein-Verlag mit dieser kommentierten Ausgabe ausreichend erfolgreich ist, dass weitere Bände aus dem Werk Schnitzlers erscheinen werden.
„Fräulein Else“ ist eine der ersten Novellen eines deutschen Autors, die sich ganz in der Technik des Bewusstseinstroms (stream of consciousness) verfasst sind und von Arthur Schnitzler (1862 – 1931) die zweite dieser Art, nach „Leutnant Gustl“ aus dem jahr 1900.
Zum Inhalt
Die neunzehnjährige Else verbringt alleine ein paar Ferientage in einem italienischen Kurort im Jahre 1896 und schildert in ihren koketten Gedanken die teils amourösen Beziehungen der anwesenden Gäste und ihre eigenen Wünsche nach ähnlichen Abenteuern. Die Leichtigkeit ihres Aufenthalts wird jäh unterbrochen von der Depeche ihrer Mutter, die vom erneuten finanziellen Desaster von Elses Vater berichtet, das nun endgültig den Ruin der Familie bedeuten und zur Haftstrafe für den Vater führen wird. In dieser Depesche wird Else eindringlich gebeten, einen Kurgast namens Dorsday – einem Geschäftsfreund des Vaters – um Geld für die Schuldentilgung zu bitten. Else ahnt schon Böses, doch steht sie zur familiären Verpflichtung und bittet Dorsday um das Geld, der wiederum einwilligt, sofern Else bereit ist, sich ihm für fünfzehn Minuten nackt zu zeigen.
Um all dies drehen sich Else Gedanken und die Situation spitzt sich dramatisch zu – und mehr soll hier nicht verraten werden.

Schnitzlers Novelle ist grandios und packt den Leser sprachlich und inhaltlich. Die Pein und Seelenqual ist aus jedem Gedanken ersichtlich und macht die Novelle – wie man heute so sagt – zum „page turner“.
Der Wallstein-Verlag hat hier aus der digitalen Schnitzler-Edition ein hervorragend editiertes Buch herausgegeben, mit sehr ausführlichen aber auch dezenten Anmerkungen, die den Lesefluss nicht stören, einer editorischen Notiz und einem ausführlichen Nachwort, das uns die Entstehungsgeschichte und die Wirkung der Erzählung erläutert und ebenso auf die Struktur der Novelle eingeht.
Ein hundert Jahre alter Klassiker in einer sehr schönen neuen Ausgabe – unbedingt empfehlenswert.