Eine der am weitesten verbreiteten deutsche Ausgaben von Ernest Hemingway ist sicherlich Ernest Hemingway, Gesammelte Werke in 10 Bänden aus dem Rowohlt Taschenbuchverlag. Diese erschien 1977 und die meisten Werke hierin in der „einzig autorisierten Übertragung aus dem Amerikanischen von Annemarie Horschitz-Horst“.

Annemarie Horschitz-Horst (1899 – 1970) war die einzige von Ernest Hemingway autorisierte deutsche Übersetzerin. Schon zu Lebzeiten Hemingways wurde bei ihm angefragt, ob andere Übersetzer seine Werke übersetzen dürften, doch lehnte dies Hemingway bis zu seinem Tod im Jahr 1961 kategorisch ab. Hierfür gab es aus Sicht des Schriftstellers ja auch gar keinen Grund, denn der Verkauf seiner Bücher im deutschsprachigen Raum lief sehr gut.

Doch die Übersetzungen waren in der Literatur- und Kritikerwelt nicht unumstritten, so

„Hemingway hat auf eine Generation deutscher Schriftsteller einen stilbildenden Einfluss ausgeübt. Wer hat ihn in Wirklichkeit ausgeübt – Hemingway oder seine deutsche Übersetzerin Annemarie Horschitz-Horst?“

Mit diesen Worten thematisierte schon Marcel Reich-Ranicki die Problematik der Hemingway-Übersetzung im Jahr 1965 auf einem Übersetzer-Kongreß. Aber was genau machte man ihr eigentlich zum Vorwurf? Da ist zum einen die Ungenauigkeit: egal ob Hemingway wonderful, fine, loveley, oder beautiful schreibt, bei Horschitz-Horst wird immer ein wunderbar daraus. Zum anderen der fehlende Mut bei Kraftausdrücken: der son of a bitch ist bei Horschitz-Horst kein Hurensohn, sondern ein verdammter Kerl. Und schließlich auch die fehlende Kenntnis und Interpretation des Autors Hemingway selbst, denn Hemingways man übersetzt Horschitz-Horst zu oft als Mensch, obwohl der Macho Hemingway meist nur von Männern schreibt.

Wer Missverständnisse vermeiden will, der greift zum Original oder liest eine der neueren Übersetzungen von Werner Schmitz, der für seine Arbeit auch vom Feuilleton oft gelobt wurde, z.B. in der Neuen Zürcher Zeitung und für seine Übersetzungen der Werke amerikanischer Autoren 2011 mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis geehrt wurde. 

Seit nun vierzig Jahren übersetzt der in der Lüneburger Heide lebende Werner Schmitz die Werke Hemingways neu, zuletzt erschien seine Übersetzung von „Whom the bell tolls“ im Rowohlt-Verlag 2022 unter „Wem die Stunde schlägt„. Schmitz erste Hemingway-Übersetzung war 1986 „Gefährlicher Sommer“, nachdem sich 1984 der Rowohlt-Verlag mit den Erben Hemingways darauf verständigt hatte, dass das Werk sukzessive neu übersetzt wird.