Monat: August 2025

Arthur Schnitzler, Fräulein Else

Zwei Werke von Arthur Schnitzler sind frisch im Wallstein-Verlag erschienen: die Novelle „Fräulein Else“ von 1924 und „Doktor Gräsler, Badearzt“ von 1917 und ich kann nur hoffen, dass der Wallstein-Verlag mit dieser kommentierten Ausgabe ausreichend erfolgreich ist, dass weitere Bände aus dem Werk Schnitzlers erscheinen werden.

„Fräulein Else“ ist eine der ersten Novellen eines deutschen Autors, die sich ganz in der Technik des Bewusstseinstroms (stream of consciousness) verfasst sind und von Arthur Schnitzler (1862 – 1931) die zweite dieser Art, nach „Leutnant Gustl“ aus dem jahr 1900.

Zum Inhalt

Die neunzehnjährige Else verbringt alleine ein paar Ferientage in einem italienischen Kurort im Jahre 1896 und schildert in ihren koketten Gedanken die teils amourösen Beziehungen der anwesenden Gäste und ihre eigenen Wünsche nach ähnlichen Abenteuern. Die Leichtigkeit ihres Aufenthalts wird jäh unterbrochen von der Depeche ihrer Mutter, die vom erneuten finanziellen Desaster von Elses Vater berichtet, das nun endgültig den Ruin der Familie bedeuten und zur Haftstrafe für den Vater führen wird. In dieser Depesche wird Else eindringlich gebeten, einen Kurgast namens Dorsday – einem Geschäftsfreund des Vaters – um Geld für die Schuldentilgung zu bitten. Else ahnt schon Böses, doch steht sie zur familiären Verpflichtung und bittet Dorsday um das Geld, der wiederum einwilligt, sofern Else bereit ist, sich ihm für fünfzehn Minuten nackt zu zeigen.

Um all dies drehen sich Else Gedanken und die Situation spitzt sich dramatisch zu – und mehr soll hier nicht verraten werden.

Schnitzlers Novelle ist grandios und packt den Leser sprachlich und inhaltlich. Die Pein und Seelenqual ist aus jedem Gedanken ersichtlich und macht die Novelle – wie man heute so sagt – zum „page turner“.

Der Wallstein-Verlag hat hier aus der digitalen Schnitzler-Edition ein hervorragend editiertes Buch herausgegeben, mit sehr ausführlichen aber auch dezenten Anmerkungen, die den Lesefluss nicht stören, einer editorischen Notiz und einem ausführlichen Nachwort, das uns die Entstehungsgeschichte und die Wirkung der Erzählung erläutert und ebenso auf die Struktur der Novelle eingeht.

Ein hundert Jahre alter Klassiker in einer sehr schönen neuen Ausgabe – unbedingt empfehlenswert.

Kerstin Holzer, Thomas Mann macht Ferien

Pünktlich zum Thomas Mann Jubiläumsjahr erscheint ein weiteres Buch zu Thomas Mann, mit Thomas Mann, über Thomas Mann und es ist schwer in eine Kategorie zu fassen. Ist es eine Erzählung, ein Sachbuch oder eine Monografie? Aber fangen wir doch von vorne an.

Die gebürtige Bonnnerin Kerstin Holzer, Jahrgang 1967, ist durchaus eine Kennerin der Familie Mann, hat sie doch schon zwei bemerkenswerte Bücher über Monika Mann und Elisabeth Mann-Borgese geschrieben. In „Thomas Mann macht Ferien. Ein Sommer am See„, erschienen im April 2025 bei Kiepenheuer & Witsch, beschreibt sie die Sommerfrische der Familie Mann 1918 am Tegernsee. Der Aufenthalt ist davon geprägt, dass „Die Betrachtungen eines Unpolitischen“ kurz vor der Veröffentlichung steht und Thomas Mann schmerzhaft erkennen muss, dass er sich in seinen „unpolitischen“ Betrachtungen verkalkuliert hat und die Welt kurz vor Kriegsende eine ganz andere ist, als jene konservativ-monarchistische, die er in den Betrachtungen beschreibt und verteidigt. Zur Erholung schreibt er hier am See die Idylle „Herr und Hund“, genießt – soweit es für Thomas Mann eben geht – die Ferien im Kreise seiner Familie, freut sich an seinem Hund Bauchan und macht seine erste Bergwanderung auf einen immerhin knapp 1.700 Meter hohen Gipfel. Als dies ist dokumentiert, sachlich verbrieft und wird von Kerstin Holzer wunderbar leichtfüßig, tiefsinnig und fesselnd erzählt – vielleicht ist es eine neue Kategorie der „erzählenden Monografie“.

Ein Buch, dem durchaus viele Leser zu wünschen sind, denn es macht einfach Lust auf Thomas Mann und manch ein Leser wird nach dieser Lektüre zu Mann Erzählungen greifen und „Herr und Hund“ lesen.

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