Monat: April 2025

Alois Prinz, Sie ist ein lebendiges Feuer

Wenn überhaupt, dann ist Milena Jesenská als Adressatin von Franz Kafkas Briefen an Milena bekannt, doch mit der 2016 bei Geltz & Gelberg erstmals erschienenen und 2018 erneut bei Insel aufgelegten Biographie „Sie ist ein lebendiges Feuer. Das Leben der Milena Jesenská“ ist Alois Prinz der große Verdienst anzurechnen, dass er mit seinem Buch Milena Jesenská aus dem Schatten von Franz Kafka holt, ihr außergewöhnliches Leben bewegend schildert und sie erneut in das öffentliche Gedächtnis trägt.

Kurz zum Inhalt

Alois Prinz erzählt das Leben der Milena Jesenská dicht und atmosphärisch: wir erleben ein elfjähriges Mädchen, das die todkranke Mutter pflegt, die junge Frau, die gegen ihren Vater und die Gesellschaft aufbegehrt und wegen „ihres unschicklichen Benehmens“ von ihrem Vater in die Psychiatrie eingewiesen wird, ihre Flucht in die Ehe mit Ernst Polak und nach Wien, ihre Diebstähle, ihren Drogenkonsum, ihre Gefängnisaufenthalte, ihre Beziehungen zu verschiedenen Männern, ihre Liebe zu Franz Kafka, ihr Verkehr unter Prager und Wiener Intellektuellen, ihre Mühen als alleinerziehende Mutter, ihre Beobachtungsgabe in ihren Reportagen, ihr Engagement für den Sozialismus, ihr Widerstand gegen die Nationalsozialisten in Prag, ihre Verhaftung durch die Gestapo und schließlich ihre Haft und ihren Tod im Konzentrationslager Ravensbrück. Prinz vermittelt eindrücklich auf etwa 200 Seiten das hingebungsvolle und verschwenderische Leben einer Frau voller Lebenshunger, die sich stets ins Leben fallen ließ: immer handelnd, gebend und liebend, wie es der Autor am Ende des Buches zusammenfasst.

Milena Jesenská wurde am 10. August 1896 in Prag geboren und starb am 17. Mai 1944 im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück an den Folgen einer Nierenoperation. 1995 wurde ihr Name in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem in eine Tafel eingraviert und sie wurde als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Damit erfuhr sie posthum die Ehrung dafür, dass seit 1939 ihre Prager Wohnung „zum Unterschlupf für tschechische Soldaten, für Juden und politisch Verfolgte“ (Prinz, S. 171) wurde und sie und Graf von Zedtwitz zahlreichen vom Nationalsozialismus Verfolgten zur Flucht verhalfen.

Milena Jesenská war trotz der starren Rollenverteilung ihrer Lebenszeit eine freie, emanzipierte Frau, eine engagierte Sozialistin und eine mutige Widerstandskämpferin. In ihrem ganzen Leben kämpfte sie gegen innere und äußere Dämonen, gegen ihre Sucht und die Ungerechtigkeit in der Welt und ist noch heute ein beispielloses Vorbild für eine starke Frau- eine Frau, die uns Mut machen kann. All dies erzählt uns Alois Prinz in seiner Biografie, die auch eine Zeittafel und ein ausführliches Literaturverzeichnis enthält, sehr eindrücklich.

Der Autor

Ein paar Worte zu Alois Prinz: der deutsche Schriftsteller, Jahrgang 1958, schreibt vorwiegend Biographien für junge Erwachsene und wurde 2023 für sein Gesamtwerk mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Er schrieb unter anderem, neben der hier vorgestellten Lebensgeschichte von Milena Jesenská, auch Biografien über Franz Kafka, Martin Luther, Herrmann Hesse, Hanna Arendt, Simone de Beauvoir und viele andere Persönlichkeiten.

Annegret Liebold, Unter Grund

Im Februar 2025 ist im Blessing Verlag der Debütroman „Unter Grund“ von der jungen Autorin Annegret Liepold erschienen – und ich sage es vorab: mich hat der Roman nicht überzeugt.

Nur ganz kurz zum Inhalt

Während die junge Referendarin mit ihren Schülern in München, einen der NSU-Prozesstage um Beate Zschäpe verfolgt, erleidet sie einen Zusammenbruch und wird von den Dämonen ihrer Vergangenheit eingeholt. Sie verlässt Hals über Kopf München und geht zu Besuch zurück in ihr Heimatdorf in Franken. In Rückblenden erfahren wir langsam Details aus Ihrer Vergangenheit, wie sie als Aussenseiterin in Familie und Schule Anschluß suche und diesen schließlich in einem rechtsradikalen Milieu findet. Das dies nicht gut gehen kann, ahnt man schon.

Mein Fazit

Gelesen wurde das Buch in einem Lesekreis und überwiegend von den anderen Leserinnen positiv aufgenommen, das sei hier erwähnt, da mein Fazit sehr subjektiv ist – ist schon klar, soll aber nochmals hervorgehoben sein. Der Roman könnte zur Kategorie „Coming of age“ oder zum „Entwicklungsroman“ zählen, aber beim besten Willen ist eine Entwicklung nicht wirklich zu erkennen, man könnte sie reindeuten, aber die Autorin gibt sie nicht vor. Der Roman will die verführerische Kraft des Rechtsextremismus auf soziale Außenseiter beschreiben, doch ist die Protagonistin stets so reflektiert, dass man überhaupt nicht verstehen kann, wie sie in diesen Sog der rechten Gewalt und Ideologie gerät. Ich habe den Eindruck, dass die Autorin permanent Angst hat, dass die Lesern nicht unterscheiden könnten zwischen Autor, Erzähler und Erzähltem – eine Angst, die ich in diesen manchmal hysterisch aufgeregten Zeiten durchaus verstehen kann. Und diese Angst hätte das Lektorat der jungen Autorin nehmen müssen, um dem Roman noch einen guten Schliff zu geben, der ihn am Ende vielleicht auch glaubhaft gemacht hätte.

Daneben ist das Buch unglaublich zäh zu lesen. Im Prinzip ist auf Seite eins schon klar, wohin in die Reise geht, doch die Autorin müht sich in Vor- und Rückblenden Spannung aufzubauen – was ihr nicht gelingt – und kommt einfach nicht auf den Punkt.

Annegret Liepold, Unter Grund
München 2025, Karl Blessing Verlag
255 Seiten, 24,00 EUR

Die drei ??? und Thomas Mann

Zum Thomas Mann Jubiläumsjahr – am 6. Juni 2025 jährt sich sein Geburtstag zum 150. Mal – erschien im Kosmos-Verlag im Februar 2025 von Marco Sonnleitner „Die drei ???. Das Geheimnis der sieben Palmen„.

Kurz zum Inhalt

Die drei jungen Detektive – wer sie in seiner Jugend gelesen hat, der sei vorgewarnt, denn sie sind zwar noch jugendlich, haben aber mittlerweile eine „echte“ Detektei und alle drei fahren nun Auto – stehen vor einem Rätsel, denn an unterschiedlichen Orten wurde nahezu zeitgleich eingebrochen, alte Briefe wurden gestohlen, Bibliotheken wurden verwüstet, doch die Werke von Thomas Mann wurden verschont und säuberlich aufgereiht. Die Opfer sind allesamt Nachfahren von Walter Lehmann, einem ehemaligen Sekretär Thomas Mann in den vierziger Jahren. Die Spur führt zur Villa Seven Palms, in der Thomas Mann tatsächlich in den vierziger Jahren lebte, und hier werden die drei Detektive Justus, Peter und Bob das Geheimnis lösen können.

Der Jugendroman verwebt hier tatsächliche Ereignisse und literaturhistorische Hintergründe mit erzählerischen Möglichkeiten und ist – besonders für junge Leser – durchaus packend und spannend geschrieben.

Fazit

Selbst Volker Weidermann ist begeistert und hat einen lobenden Artikel in der Zeit, No. 15 am 10. April 2025, verfasst – das mag was heißen. Auch wenn ich eine allzu große Begeisterung nicht teilen kann, so ist es dennoch ein unterhaltsames Abenteuer, das jugendliche Drei ??? Leser ohnehin verschlingen werden und damit vielleicht auch Neugier wecken kann. Mag sein, dass diese Detektivgeschichte auch Brücken zur deutschen Literatur und der Thomas-Mann-Welt bauen hilft, aber in erster Linie ist es eine originelle und ebenso eine schöne Idee für Lesenostalgiker und Thomas-Mann-Fans.

Marco Sonnleitner, „Die drei ???. Das Geheimnis der sieben Palmen
Stuttgart 2025, Kosmos Verlag
159 Seiten, 12,00 EUR

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